Johannes Brahms
weltliche Werke für Chor und Orchester Alt-Rhapsodie (op.53), Schicksalslied (op. 54) und Nänie (op. 82)
Johannes Brahms wurde 1833 in Hamburg als zweites Kind der Eheleute Johann Jakob und Johanna Henrika Christiane Brahms geboren. Dass Brahms’ Vater ein zunächst „freischaffender“ Musiker in diversen Tanzmusik-Ensembles, und später Angestellter im Orchester des Stadttheaters Hamburgs war, legt einen frühen Bezug zur Musik nahe. Neben Klavier- und Cellounterricht, zeigte sich Brahms’s Talent zum Komponieren früh. Später erlernte er das Hornspiel und das Dirigieren.
In sein Gesamtwerk reiht sich neben Orchesterwerken, Klavier- und Kammermusik, weltlicher und geistlicher Chormusik auch weltliche Chorsinfonik. Drei dieser Werke werden nachfolgend etwas erläutert.
„RHAPSODIE“ FÜR EINE ALTSTIMME, MÄNNERCHOR UND ORCHESTER (1870)
Die
Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester entstand 1869 und wurde 1870 in Jena uraufgeführt. Vermutlich verarbeitete Brahms damit eine enttäuschte Liebe zu Clara Schumanns Tochter Julie. Der düstere Text stammt aus der Hymne „Harzreise im Winter“ von Johann Wolfgang von Goethe (Strophen 5-7).
Text
Aber abseits wer ists?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.
Ach wer heilet die Schmerzen
Des, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank,
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ungnügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter,
Vater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Öffne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden In der Wüste.
Musik
Wie die Textgrundlage vorgibt, komponiert Brahms ein dreiteiliges Werk. Eine Orchestereinleitung (Adagio) stimmt harmonisch in die Düsterheit des Textes ein. Trotz der nicht allzu üppigen Besetzung (2 Fl, 2 Ob, 2 Kl, 2 Fg, 2 Hn, 2 Vl, Vla, Vlc, Kb) tut sich ein massiver Klangraum auf. Der erste Höreindruck lässt die Ausgangstonart c-moll nur schwer erahnen.
Nach einer Fermate in Takt 18 eröffnet die Alt Solistin mit den Worten „Aber abseits wer ists?“ ohne Orchesterbegleitung die Gesangspartie. Diese ist durchwegs gekennzeichnet durch extremen Ambitus, sowie einen teils sehr sprunghaften Melodieverlauf. Hauptsächlich lange Notenwerte (1/4+) im legato verleihen diesem ersten Teil seine Schwere.
Die zweite Strophe beginnt, wieder nach einer Fermate, im 6/4-Takt. Brahms spielt aber, wie so oft, mit unterschiedlicher metrischer Aufteilung (6/4 vs. 3/2) und setzt diese oftmals gleichzeitig in verschiedene Instrumentengruppen. Die dadurch entstehenden Polyrhythmiken lassen den Orchesterapparat gelungen verwaschen klingen (-> kein Halt zu spüren -> Textausdeutung).
In der dritten Strophe kommt der vierstimmige Männerchor hinzu. Brahms hat doch recht viel für Männerchor komponiert, deshalb überrascht die Auswahl dieser Besetzung nicht all zu sehr. Dennoch gelingt ihm, nicht zuletzt durch die Wendung nach C-Dur, ein prächtiger Farbwechsel im Vergleich zum Vergangenen. Choralartig untermalt der Männerchor die Altpartie - ohne sich jedoch in den Vordergrund zu drängen. Die Harmonik wird weniger Dissonant, die Rhythmik klarer. Es wirkt strukturierter, ja, nahezu erlösend. Das Werk wird mit dem Text „... sein Herz“ elegisch mit einer simplen F-Dur -> C-Dur Wendung abgeschlossen, als seien alle Sorgen und Ängste vergessen.
Hörtip
https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/starkes-stueck-brahms-alt- rhapsodie-100.html
Aufnahme (youtube)
Nathalie Stutzmann (Alt), Monteverdi Choir, Orchestre Révolutionnaire et Romantique Sir John Eliot Gardiner
https://www.youtube.com/watch?v=4X1LrAZpYbQ